Heute am 7. November bzw. je nach Zeitrechnung am 25. Oktober jährt sich die große sozialistische Oktoberrevolution in Russland zum 100. Mal.
In Russland mitten im millionenfachen Gemetzel des 1. Weltkrieges zeigten die ArbeiterInnen, BäuerInnen und Soldaten erstmals, dass es möglich ist, die Macht des Kapitals zu brechen und eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Unter den Losungen „Alle Macht den Sowjets“1 und „Frieden, Brot und Land“ waren die Bolschewiki2 die AnführerInnen dieser Revolution.
Der bis dahin grausamste Krieg der Menschheitsgeschichte wurde beendet, die herrschende politische Klasse aus Adel und Bürgertum entmachtet, Fabrik-, Bank- und Großgrundbesitzer enteignet und die kapitalistische Ausbeutung beendet.
Für uns ein Grund zum Feiern und ein Vorbild in der Geschichte, aus dem wir unheimlich viel für unseren Kampf in der Gegenwart lernen können.
Eine Gegenwart, in der wieder mehr den je Kriege um billige Rohstoffe und den Zugang zu freien Märkten für die grenzenlose Ausbeutung des Kapitals geführt werden, in der sich deshalb Millionen von Flüchtlingen gezwungen sehen ihre Heimat zu verlassen, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer unverschämter auseinander klafft. Eine Gegenwart, in der die Krisen von Konzernen und Banken auf der Jagd nach immer mehr Profit in Form von Staatsschulden, Sozialabbau, Naturzerstörung, Klimaerwärmung und Verelendung immer größerer Teile der Weltbevölkerung hier und anderswo bezahlt werden.
Und ein bürgerlicher Staatsapparat mit seinen etablierten Parteien, mit seiner Justiz, seiner Armee, seiner Polizei, seinen Arbeitsagentur- und Hartz-IV-Behörden, die die willfährigen Helfer des Kapitals sind, und Angst haben vor sozialen Unruhen und Aufständen, die die herrschende Ordnung in Frage stellen könnten. Deswegen auch der immer massivere Ausbau des Polizeiapparats und der Überwachung, der Abbau demokratischer Rechte unter dem propagandistischen Deckmantel der Terrorabwehr.
In solch einer Situation könnte die Oktoberrevolution als Vorbild brandgefährlich werden. Deswegen wird vom Bürgertum und seinen Medienkonzernen nichts unversucht gelassen, die Darstellung der Geschichte ideologisch mit Lügen und Diffamierungen zu verfälschen.
Immer wieder wird behauptet, die Oktoberrevolution sei ein Putsch der Bolschewiki gegen die gewählte Regierung Kerenski gewesen.
Die parlamentarisch gewählte Regierung Kerenski, durch die Februarrevolution 1917 im Zuge des Sturzes des Zarenregimes an die Macht gekommen, hielt eisern an der Fortsetzung des Krieges fest. Ebenso weigerte sie sich das Land der adeligen Großgrundbesitzer an die Bauern zu verteilen. Gegen Ende ihres Bestehens ließ sie auf ArbeiterInnendemonstrationen schießen: die Folge mehrere hundert Tote. Sie stand damit immer mehr den Interessen der ArbeiterInnen und Bauern, also dem Großteil der Bevölkerung, entgegen. Vom Februar bis Oktober 1917 spitzte sich die Lage immer weiter zu: eine zunehmend despotische parlamentarische Regierung, der Krieg löste Hungersnöte in den Städten aus und es gab kein Land für die Bauern. Parallel zum gewählten Parlament bestanden seit der Februarrevolution die Sowjets, gewählte und jederzeit absetzbare Delegierte der ArbeiterInnen, BäuerInnen und Soldaten. Durch die richtige revolutionäre Strategie und Taktik gelang es den Bolschewiki in dieser Situation die Mehrheit in den Sowjets zu erlangen. So hatten sie eine breite und direkte Unterstützung in der Bevölkerung und nur so konnte die Revolution in einem riesigen Reich wie Russland überhaupt gelingen. Die Oktoberrevolution durch die Sowjets hatte deshalb eine weitaus demokratischere Basis als es jemals eine parlamentarisch gewählte, bürgerliche Regierung haben kann.
Eine andere Propagandalüge der herrschenden Meinungsmacher ist die Behauptung, die Bolschewiki und die Akteure der Oktoberrevolution seien verantwortlich für Millionen von Toten.
Richtig ist, dass die gestürzten Adligen, das enteignete Großbürgertum und die ehemalige zaristische Generalität sich mit dem Verlust ihrer Macht und Privilegien nicht abfinden wollten und einen blutigen Bürgerkrieg begannen. Dieser forderte bis 1921 tatsächlich Millionen von Menschenleben und hinterließ nach dem Ende des ersten Weltkriegs weitere unermessliche Verwüstungen in Russland. Richtig ist auch, dass die sogenannten weißen Konterrevolutionäre von 22 Staaten außerhalb Russlands mit Waffen, Geld und Militärkontingentens unterstützt wurden. Trotzdem konnte sich die junge Sowjetunion behaupten!
Letzten Endes ist trotzdem, und auch das stellt eine historische Wahrheit dar, der erste große Versuch einen Sozialismus aufzubauen, gescheitert. Dies lag aber nicht am „totalitären und antidemokratischen Wesen der kommunistischen Bewegung im Allgemeinen“ wie es uns bürgerliche Geschichtsschreiberlinge immer wieder einhämmern wollen, sondern an anderen historischen Fakten und folgenreichen Fehlern, die im Entwicklungsprozess gemacht wurden:
Russland war zur Zeit der Oktoberrevolution ein halbfeudaler Agrarstaat ohne ausreichende industrielle Basis, um einen entwickelten Sozialismus aufzubauen. Der Anteil der Arbeiterklasse an der Gesamtbevölkerung war klein, die Industrialisierung lag weit hinter der anderer imperialistischer Länder zurück. Unter den Bolschewiki der ersten Generation war es unumstritten, dass sich Sowjet-Russland auf Dauer nur halten kann, wenn in mindestens einem entwickelten Industrieland, und da dachte man vor allem an Deutschland, mit der in den 20er Jahren zweitstärksten kommunistischen Partei, ebenfalls eine revolutionäre Umwälzung stattfindet. Diese blieb aber aus.
Im Gegenteil: Der Überfall des faschistischen Deutschlands 1941 auf die Sowjetunion hinterließ wieder ein verbranntes Land mit 20 Millionen Toten. Und im Anschluss der kalte Krieg, der aggressiven Einkreisung durch die NATO-Staaten und das Wettrüsten, das enorme wirtschaftliche Kapazitäten band, stellten das Land immer wieder vor enorme Schwierigkeiten.
Wenn es um das Scheitern der Bolschewiki und der Oktoberrevolution geht, dann wissen viele deutsche Linke immer nur all zu gut, wie es andere, weit weg in ferneren Ländern, hätten besser machen können. Dabei vergessen sie nur allzu gerne, dass die Entwicklung in der Sowjetunion engstens mit den Verhältnissen in Deutschland – Novemberrevolution 1918/19, gescheiterte Revolution im Oktober 1923, Niederlage der Arbeiterbewegung gegen den Faschismus, Westdeutschland als NATO-Pfeiler im kalten Krieg usw. – verwoben war. Daraus lernend können wir nur immer wieder betonen: die Hauptfrage damals wie heute ist die des revolutionären Aufbauprozesses im eigenen Land!
In den frühen Jahren der Sowjetunion wurden, und auch das soll nicht verschwiegen werden, einige schwerwiegende Fehler gemacht: zunehmende Bürokratisierung und Zentralisierung sowie das Abwürgen von einzelnen, gerade erst erkämpften demokratischen Freiheiten, sollte eine scheinbare Einheit im Bürgerkrieg schaffen und entstanden aus der (mehr oder weniger berechtigten) Angst heraus, diese demokratischen Freiheiten könnte der kapitalistische Gegner ausnutzen, um die Entwicklung des Sozialismus zu sabotieren. Im Zuge der notwendigen und oft blutigen Niederwerfung der Konterrevolution sind aber auch viele Revolutionäre und GenossInnen verfolgt worden, die sich auf ehrliche Weise um den richtigen Weg zum Sozialismus gestritten haben, und berechtigte Einwände am politischen Kurs fanden kein Gehör. Das Maß an breiter, demokratischer Entscheidungsgewalt durch die Sowjets, wie es kurz nach der Revolution herrschte, wurde später nie wieder erreicht. Wir lernen daraus, dass ein Zurückfallen hinter die Errungenschaften einer revolutionären Bewegung, besonders was demokratische Kontrolle angeht, unbedingt zu vermeiden ist.
Es gilt, aus den historischen Erfahrungen, Fehlern und Erkenntnissen zu lernen, um unsere eigene Bewegung zu bereichern. Die Oktoberrevolution hat gezeigt, dass eine andere Welt ohne Ausbeutung, eine menschenwürdige Welt für Alle, möglich ist. Wir als KommunistInnen und Revolutionäre sind es den dafür gestorbenen GenossInnen, den immer noch unter dem weltweiten kapitalistischen System Leidenden und Sterbenden und den zukünftigen Generationen schuldig, die Hoffnung daran nicht zu verlieren und den Kampf weiterzuführen.