Folgende Stellungnahme der al[m] ist gerade auf linksunten.indymedia.org erschienen und per eMail verschickt worden:
Auch 2013 trafen sich wie jedes Jahr am 1. Februar-Wochenende Politiker_innen, Militärs und Konzernlenker zur alljährlichen Münchner Sicherheitskonferenz – dem größten und bedeutendsten informellen Strategie- und Diskussionsforum der NATO-Staaten. Zu Recht sind die Proteste gegen die NATO-Sicherheitskonferenz mittlerweile der wichtigste regelmäßige Termin der Antikriegsbewegung in Deutschland, zu dem auch 2013 wieder ein breites Bündnis nach München mobilisierte. Es waren, ungefähr wie die Jahre zuvor, rund 3.000 Menschen, die am 2. Februar gegen die NATO-Konferenz auf die Straße gingen.
In den folgenden Ausführungen wollen wir darlegen, warum die Proteste gegen die SIKO notwendig und richtig sind. Wir reflektieren die Mobilisierung und Durchführung der diesjährigen Proteste und nehmen Stellung zu dem Konflikt, den es um den Antikapitalistischen Block und seinen Redebeitrag gab. Wir blicken voraus auf die SIKO 2014 und was das nächste Mal anders laufen muss.
Warum jedes Jahr wieder gegen die Sicherheitskonferenz?
Diese Konferenz ist ein wichtiges Forum der NATO zur Drohung mit kriegerischen Interventionen weltweit und um Kriege propagandistisch zu rechtfertigen. Verschanzt hinter Absperrgittern, Wasserwerfern und einer gigantischen Polizeimacht kommen die Militärstrateg_innen, Rüstungslobbyist_innen und Regierungsvertret_innen der mächtigsten kapitalistischen Staaten zu ihrem jährlichen Kriegsstammtisch im Hotel Bayrischer Hof in München zusammen. Auf der SIKO arbeiten sie an der Perfektionierung und Koordinierung ihrer gemeinsamen Raubzüge gegen die Menschheit. Die Repräsentant_innen aus EU, USA und anderen NATO-Staaten inszenieren direkt vor unserer Haustür ihre Strategien für die gegenwärtigen und zukünftigen ökonomischen, militärischen und politischen Absicherungen ihres ausbeuterischen, die Erde ausplündernden Systems. Sie nennen es „Sicherheitskonferenz.“ Aber es geht um nichts anderes als um Kriegspolitik zur Aufrechterhaltung und Ausweitung dieses Systems, welches einer kleinen Minderheit Reichtum und Macht verschafft. Wir nennen es Kriegskonferenz. Ein Podium zur Androhung von kriegerischen Interventionen sowie deren propagandistischer Rechtfertigung.
Der Krieg beginnt hier
Die BRD nimmt führend am weltweiten Rüstungswettlauf teil. Nicht nur exportiert sie in Deutschland hergestellte Waffen in alle Welt, allem „Menschenrechts“-Geheuchel zum Trotz auch in Diktaturen, wo sie gegen die aufbegehrende Bevölkerung eingesetzt werden; und in Kriegsgebiete, wo sie die Konflikte weiter anheizen und verschärfen. Auch schickt die Bundesrepublik selbst ihre Soldat_innen, Polizist_innen und militärische Berater_innen in die ganze Welt um ihren Einfluss auf Rohstoffgebiete und Märkte zu sichern. Für den Großteil der Weltbevölkerung bedeutet die Durchsetzung der Interessen des Kapitals Armut, Krieg, Vertreibung, Ausplünderung der Bodenschätze und mangelnder Zugang zu Trinkwasser. Widerstand dagegen wird mit brutaler Gewalt beantwortet, wenn nicht durch den Westen direkt, dann mit westlicher Technik und Know How ausgerüsteten Kräften. Damit Deutschland zu einer Militärmacht im globalen Krieg um Macht und Ressourcen aufsteigen konnte, wurde die Bundeswehr, zu einer Interventionsarmee nach außen umstrukturiert. Ihre Funktion ist es aber nicht „nur“ andere Länder und Völker zu unterdrücken, sondern sie kann (und soll) ebenso im Innern eingesetzt werden im Rahmen der „Amtshilfe“ zur Unterstützung der Polizei (wie geschehen 2007 beim G8), „zum Schutz kritischer Infrastruktur“ und bei der „Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer“ oder „widerstrebender“ Bevölkerungsteile (so die Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2011).
Angesichts der weltweiten kapitalistischen Krise, eines sich täglich vergrößernden Gegensatzes von Arm und Reich und einer wachsenden Zahl von Menschen, die ihre Lebensumstände nicht mehr klaglos hinnehmen möchten, ist klar, gegen wen die Bundeswehr auch in Deutschland früher oder später eingesetzt werden wird. In der Altmark bei Magdeburg wird gerade durch den größten deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall das größte europäische Gefechtsübungszentrum (GÜZ) weiter ausgebaut, in dem alle NATO-Staaten, die europäischen Battlegroups sowie die European Gendarmerie Forces die militärische Niederschlagung von Aufständen in Großstädten trainieren können.
Wer gegen Krieg ist, darf vom Kapitalismus nicht schweigen
Krieg und Kapitalismus sind untrennbar miteinander verbunden. Imperialistische Kriege gehören ebenso zur Sicherung der Profitinteressen wie die Steigerung der Ausbeutung durch Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerung und die Umstrukturierung sämtlicher Bereiche nach den Verwertungsinteressen des Kapitals. Daher kann ein Kampf gegen Krieg nur ein Kampf gegen den Kapitalismus sein. Die Hoffnung, dass die Welt friedlicher werden kann, wenn gleichzeitig Menschen und Natur für den Profit einer kleinen globalen Minderheit ausgebeutet werden, ist ein Märchen.
Unser Alltag ist von Krieg und Militarismus durchsetzt, auch wenn viele es noch nicht bemerken. Die Bundeswehr gibt Millionen aus, um sich für arbeitsuchende Jugendliche attraktiv zu machen. Sie taucht auf Jobmessen und in Schulen mit ihren „Karriere-Trucks“ auf. Sie zeigt sich im öffentlichen Raum durch Konzerte und Gelöbnisse. Sie hält Vorträge, Seminare und Kongresse an Universitäten und Hochschulen. Sie veranstaltet „Familientage“ mit Flug- und Waffenshows. Der Militarismus soll in allen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen verankert und selbstverständlich werden: in Forschung, Kultur, den Medien und der Bildung.
Die SIKO-Proteste sind der gemeinsame Ausdruck der antimilitaristischen Bewegung
Am ersten Februar-Wochenende jeden Jahres findet die Inszenierung kapitalistischer militärischer Macht ihren Höhepunkt hier in unserer Stadt. Für uns sind die Proteste gegen die SIKO daher der Höhepunkt der antimilitaristischen Arbeit, die das ganze Jahr über kontinuierlich von vielen verschiedenen Gruppen auf ganz unterschiedliche Weise bundesweit geleitstet wird: Die einen stören den Bundeswehr-Werbestand auf einer Berufsmesse; die anderen machen eine Veranstaltung für Beschäftigte an Schulen und Unis, wie sie sich gegen den zunehmenden Einfluss des Militärs wehren können; die nächsten halten Mahnwachen oder verteilen Flugblätter vor Rüstungsbetrieben; irgendwo hängt ein Riesen-Transparent von einem Turm und andernorts wird vielleicht gerade ein Militärfahrzeug untauglich gemacht. Jedoch zur SIKO zeigen wir alle gemeinsam, dass wir der Aufrüstung, dem weltweiten Abschlachten und der Unterdrückung nicht tatenlos zusehen.
Wir sehen die SIKO-Proteste daher nicht als leeres Ritual, sondern als einen Ausdruck von Stärke. In dem gemeinsamen Protest sind inhaltliche und taktische Unterschiede durchaus erwünscht. Durch das öffentliche Auftreten der antimilitaristischen Bewegung können neue Leute angesprochen und aktiviert werden. Dieser Tag ist auch eine Gelegenheit über die Antikriegs-Proteste hinaus die notwendige Kritik am Kapitalismus – und seinen Zusammenhang mit Krieg – auf die Straße zu tragen. Und nicht zuletzt war es zu Beginn der großen organisierten Proteste auch einmal das Ziel die SIKO zu verhindern, zumindest zu blockieren oder zu behindern. Anstatt sich gegenseitig die Schuld zu zuschieben, dass „wegen der und der Gruppen“ angeblich immer weniger Leute zur Demo kommen, sollten wir wieder gemeinsam an den Zielen von früher arbeiten und überlegen wir diese erreichten könnten.
Die SIKO 2013
Das Anti-SIKO-Bündnis und der erste Spaltungsversuch
Rund 90 Organisationen und 80 Einzelpersonen unterstützten den Aufruf des Aktionsbündnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz. Darunter einige Teilbündnisse, die eigene Zielgruppen ansprechen, eigene Mobilisierungsveranstaltungen und Demo-Blöcke organisierten: wie das Münchner Friedensbündnis oder der von der SDAJ initiierte Jugendblock. Ausdrücklich nicht als Teil des Aktionsbündnisses, sondern als Spaltungsprojekt trat das Bündnis „Kriegsrat – Nein danke“ auf, maßgeblich getragen von Einzelpersonen, die schon seit Jahren versucht hatten einen Keil zwischen verschiedene Spektren des Protestes zu treiben, bis 2013 allerdings erfolglos. Diese Initiator_innen versuchten das Aktionsbündnis als „kommunistisch gesteuert“ und „gewaltbereit“ zu diffamieren. Offenbar ist diesen Leuten die Ausgrenzung von revolutionären Positionen wichtiger als der gemeinsame Protest. Sonst würden sie nicht versuchen die Bewegung zu schwächen und die Mehrheit (sie selbst sind zahlenmäßig in der Minderheit) in der Öffentlichkeit zu diskreditieren.
Der „Antikapitalistische Block“
Wir mobilisierten in diesem Jahr erstmals zu einem „Antikapitalistischen Block“ als Sammelpunkt revolutionärer, antikapitalistischer Aktivist_innen auf der Bündnisdemo – anstatt wie in den Vorjahren zum „Internationalistischen Block“. Der Grund für die Umbenennung: Auf einer Demonstration von Friedens- und antimilitaristischen Kräfte, bei der seit jeher die internationale Solidarität mit Kämpfen gegen Krieg und Unterdrückung weltweit deutlich zum Ausdruck kommt, halten wir es für richtig, die Überwindung des Kapitalismus als kennzeichnendes Merkmal des Blocks zu betonen. Mehrere Gruppen aus Bayern und Baden-Württemberg sowie der Verband der Studierenden aus Kurdistan YXK unterstützten den Block-Aufruf. Inhaltlich war der Aufruf eine aktualisierte Version des Vorjahres.
Schwächere Mobilisierung als die letzten Jahre
Die Mobilisierung für den Antikapitalistischen Block war dieses Jahr außerhalb Münchens erfreulicherweise stärker als letztes Jahr. So gab es mehrere Info-Veranstaltungen in Bayern und Baden-Württemberg. In München selbst kam es zu einigen Mobilisierungsaktionen im Vorfeld: Es gab Aufruf-Verteilungen in verschiedenen Stadtvierteln und „Sonderschlagzeilen“ in Zeitungskästen. Es war allerdings schade, dass es ansonsten wenig Werbung für die Anti-SIKO-Proteste gab. Das breite Bündnis hatte kaum plakatiert, so dass es für die Münchner Bevölkerung fast keinerlei optische Hinweise auf die bevorstehende SIKO gab. Der antikapitalistische Block versuchte durch Aufkleber im Stadtbild präsent zu sein.
Nicht zu vergessen ist auch die von der Antikapitalistischen Linken Olching und der SDAJ veranstaltete Jubeldemo am 26. Januar. Sie war dieses Mal leider nicht so gut besucht wie in den Jahren davor, war aber immerhin ein Blickfang in der Innenstadt und gab der Presse Anlass zur Berichterstattung
Die mangelnde Mobilisierungsaktivität ist ein deutlicher Ausdruck dafür, dass es immer weniger Aktive sind, die sich um die aufwendigen Vorbereitungen kümmern müssen. Diese sind mit den notwendigsten Aufgaben bereits überlastet, so dass kaum Zeit bleibt, wenigstens die Innenstadt mit Plakaten zuzukleistern.
Eine gute Öffentlichkeitsarbeit, die die Leuten wieder daran erinnert, nicht nur dass es die SIKO gibt, sondern dass der Widerstand dagegen heute noch genauso relevant ist wie 2003, als 35 000 Menschen in München gegen Krieg protestierten, ist angesichts der kapitalistischen Krise und weltweiter Aufrüstung notwendiger denn je. Dies können wir jedoch nur erreichen, wenn wir viele sind, die sich in die Vorbereitungen mit einbringen, und wenn es ein breites Bündnis ist, dass verschiedene politische und gesellschaftliche Schichten erreichen kann.
Keine Szenebeteiligung und eine „antideutsche“ Mini-Provokation
Die „autonome Szene“ im und ums Kafe Marat scheint sich inhaltlich nicht mehr mit Antikriegspolitik zu beschäftigen und beteiligte sich in keiner Form an der Vorbereitung oder Durchführung der Proteste. Es scheint nicht hip genug zu sein sich mit der Kriegspolitik der NATO und ihren Verbündeten ernsthaft auseinander zu setzen. Die häufig vorgebrachte Argumentation, dass die Anti-SIKO-Demo „zu ritualisiert“ sei, halten wir für eine reine Ausrede für Inaktivität. Schließlich kamen auch keine Vorschläge für konstruktive Ideen, die die „Rituale“ vor und während der SIKO-Proteste hätten durchbrechen können. Über andere meckern ist leicht, selber etwas (besser) machen erfordert politische Analysen und Arbeitsaufwand, wozu ein Teil der Münchner „Szene“ offenbar nicht bereit oder in der Lage ist.
Ein dubioser Aufruf zu einem „antinationalen Block“ tauchte kurz vor dem Demo-Termin auf. Dieser verbreitete groben Unsinn über angebliche Nationalfahnen und Ahmadinedschad-Unterstützung auf der SIKO 2012, was eindeutig nicht so war. Stattdessen äußerte der Aufruf Sympathie für deutsche Rüstungsexporte, wenn sie an den kapitalistischen Staat Israel gehen. Letztendlich zeigte sich, dass das Ganze als reines Verwirrungsmanöver gedacht war ohne ernsthafte Absichten auf einen solchen fiktiven Block zu mobilisieren. Oder wollte einfach niemand mitmachen?
Der zweite Spaltungsversuch
Leider kam es dieses Jahr zu unsolidarischen Anfeindungen und Spaltungsversuchen im (verbliebenen) Bündnis, in einer Schärfe, die es – trotz der teilweises sehr unterschiedlichen inhaltlichen Positionen innerhalb der Anti-Kriegsbewegung – in den 11 Jahren gemeinsamer Mobilisierung zuvor so noch nie gegeben hatte. Dafür machen wir nicht das Bündnis in seiner Gesamtheit, sondern Einzelpersonen verantwortlich, die durch ihre Schlüsselrollen, wie beispielsweise Pressesprecher, in der Öffentlichkeit ihre Positionen als Bündniskonsens darstellen konnten. Auslöser – allerdings nicht Ursache – des Konflikts war die Ankündigung des Antikapitalistischen Blocks Inge Viett als Rednerin aufzustellen.
Kontroverse um Redebeitrag
Seit Dezember war im großen Bündnis klar,, dass außer den Hauptredner_innen – der Völkerrechtler Norman Paech, Brigitte Kiechle von der Kampagne „Tatort Kurdistan“ und Claudia Haydt von der Informationsstelle Militarisierung – auch der Antikapitalistische Block und der Jugendblock eigene Kurzbeiträge auf der Auftaktkundgebung halten würden. Im Januar wurde dann die Rednerin des Antikap. Blocks im Bündnis genannt: Inge Viett, früher in der Bewegung 2. Juni und RAF organisiert, heute revolutionäre antimilitaristische Aktivistin, die für ihre mündliche Äußerung (!) verurteilt wurde, in der sie Sabotage von Bundeswehrmaterial für legitim erklärt hatte. Inge Viett vertritt eine militante Position gegen Krieg und Kapitalismus. Es sind eindeutige inhaltliche Unterschiede zum pazifistischen Spektrum vorhanden, aber es war auch klar, dass Inge Viett ausdrücklich nur den Antikap. Block repräsentieren würde. Die Bandbreite an politisch unterschiedlichen und trotzdem gemeinsam handelnden Kräften hatte bisher immer die Stärke des Bündnisses ausgemacht. Zu der Wahl der Rednerin des Antikap. Blocks gab es Widerspruch in Teilen des Bündnisses, aber trotz Diskussion, forderte niemand eine Abstimmung darüber ein Inge Viett auszuladen. Dies geschah auch auf dem Folgetreffen nicht. Die Rednerin wurde nicht in Frage gestellt, wohl aber die Ankündigung auf der letzten Bündnis-Pressekonferenz. Wir kamen Bedenken entgegen und warteten ab, bis am letzten Dienstag Nachmittag vor der Demo klar war, dass es keine Pressekonferenz mehr geben sollte.
Eigenmächtiges Handeln Einzelner ohne Bündnisbeschluss
Die geplante Pressekonferenz wurde ohne Bündnis-Beschluss von einem Pressesprecher des Bündnisses abgesagt. Die Begründung war, dass er nicht wisse, wie man auf die Ankündigung der Rednerin vor der Presse reagieren solle. Gleichzeitig verschickten wir eine Pressemitteilung als Antikapitalistischer Block, in der wir unter anderem Inge Viett als Rednerin ankündigten. Jegliche Diskussion um die „Personalie Viett“ hätte problemlos an einen der vier Pressesprecher, von denen auch einer als Sprecher unseres Blockes fungierte, weiter gegeben werden können. Unser Pressesprecher war auf allen Pressekonferenzen anwesend und durch eine Telefonnummer zu erreichen! Auch auf dem letzten Bündnistreffen vor der SIKO forderte niemand eine Abstimmung gegen Inge Viett ein. Ab Donnerstag berichteten zahlreiche Medien über Inge Vietts Rede. In der Berichterstattung kam zum Ausdruck, dass revolutionäre Kräfte auch Teil der Anti-Kriegsbewegung seien. Eine bessere, differenziertere, Form der Aussage ist von bürgerlichen Journalist_innen nicht zu erwarten, was die jahrelange Erfahrung zeigt und allen bekannt sein müsste. Wenn nun kritisiert wird, Inge Viett hätte als Top-Thema die Berichte über die Proteste dominiert, dann ist dem zu entgegnen, dass die stattfindenden Proteste der letzten Jahre ohnehin nie besonders ausführlich oder freundlich in der Presse angekündigt wurden. In der Regel hieß es stereotyp, dass immer weniger Demonstrant_innen teilnehmen würden.
Leider beließ es der Bündnis-Pressesprecher nicht dabei darauf zu verweisen, dass Inge Viett die Position nur eines Teils des Bündnisses repräsentierte, und nicht das gesamte Anti-Kriegs-Spektrum – was den Tatsachen entsprochen und völlig in Ordnung gewesen wäre. Sondern er verstieg sich leider zu der Behauptung, es wäre eine „bewusste Provokation“ und ein „Angriff“ auf die Anti-SIKO-Proteste durch den Antikapitalistischen Block, allen voran durch unsere Gruppe. Er unterschlug dabei nicht nur, dass auch andere Gruppen – bundesweit! – den Aufruf des Block unterzeichnet hatten; er bezeichnete ihn auch öffentlich als „bescheuert und kindisch“. In der „gemeinsamen“ Bündnisrede auf der Auftaktkundgebung distanzierte sich dann Walter Listl zusätzlich vom antikapitalistischen Block. Wir sehen darin einen Missbrauch seiner Rolle als Bündnisredner.
Für uns ist dieses Verhalten nach den vielen Jahren der gemeinsamen guten Zusammenarbeit unverständlich und enttäuschend. Eine solche Vorgehensweise, die unabgesprochen und völlig unsolidarisch ist, ist schlichtweg inakzeptabel.
Am Donnerstag vor dem Demo-Samstag kam dann die Forderung aus Kreisen des Bündnisses, auf einem eilig einberufenen Treffen eine Abstimmung über Inge Viett einzufordern. Absurd war die Absage der ödp, die sowieso nie Teil des Aktionsbündnisses war, sondern sich mit der DFG-VK und anderen an dem Spaltungsversuch der SIKO-Proteste beteiligt hatte. Wir hingegen brachten einen Kompromissvorschlag ein: Inge redet nicht am Stachus, ihre Rede wird von einer anderen Person verlesen. Stattdessen spricht sie später von unserem Lautsprecherwagen aus. Dies wurde akzeptiert, der Antrag auf Abstimmung zurückgezogen.
Die Demo am Samstag
Die Demo war ausdrucksstark wie lange nicht mehr, mit 2000 später ca. 3000 Menschen. Alle antimilitaristischen Spektren waren vertreten: Friedensgruppen, Jugendblock, kurdischer Block, Gewerkschafter_innen, Sambagruppe und das bürgerliche Bündnis „Kriegsrat Nein Danke“. Während der Auftaktkundgebung kam es zu einem Angriff türkischer Faschisten (Dogu Perincek-Anhänger/IP/TGB) mit Türkei- und Atatürk-Flaggen auf kurdische Genoss_innen. Sehr schlecht war, dass die Umstehenden nicht schnell und entschieden genug handelten. Die Bullen nutzten die Gelegenheit zur Festnahme kurdischer Genossen. Der Redebeitrag von Inge Viett wurde wie abgemacht verlesen. Ihre Kernaussagen waren, dass die Hoffnungen von großen Teilen der reformistischen Anti-Kriegs-Bewegung, die Herrschenden würden mit sich verhandeln lassen, eine Illusion sind. Kriege können nur durch die Überwindung des Kapitalismus beendet werden. Dazu ist es notwendig eine revolutionäre klassenkämpferische Bewegung aufzubauen. (Der vollständige Redebeitrag kann auf www.al-m.org nachgelesen werden)
Auf der Demo wurde dieses Jahr besonders deutlich, dass die revolutionären Kräfte einen wesentlichen Teil der Bewegung darstellen, dies sowohl quantitativ wie qualitativ. Der Antikapitalistische Block zählte rund 500 Teilnehmer_innen. Es gab zahlreiche Transparente, Schilder, Hochtransparente, Sprechchöre, Luftballons mit dem Block-Motto sowie anheizende Durchsagen aus dem Lautsprecherwagen. Der Block hatte eine Stärke an inhaltlichem Ausdruck wie lange nicht mehr. Dadurch war er auch in den Medien präsenter als der Rest der Demo. Wie angekündigt, baten wir um eine Zwischenkundgebung am Sendlinger Tor-Platz für die Rede von Inge Viett. Die Demoleitung genehmigte diese und sie wurde für ca. 15 Minuten durchgezogen. Wer nun sagt, das wäre gegen die Absprache gewesen, behauptet bewusst die Unwahrheit.
Leider wurde die Demonstration nahezu die ganze Zeit von PI-Fotografen begleitet. Wir sehen es als eigene Schwäche diese nicht entfernt zu haben. Hier müssen wir im kommenden Jahr eine Lösung finden. Am Ende versuchten „Antideutsche“ noch zu provozieren, als sie auf der Schlusskundgebung mit ihrem bizarren Aufruf auftauchten, der voll nachweislich falscher Behauptungen steckte. Für Kritik sind wir immer offen, aber über so einen Schwachsinn brauchen wir nicht diskutieren.
Nach der Demo ist vor der Demo
Anstatt sich gemeinsam über die bunte, inhaltsstarke und erfolgreiche Demo zu freuen gab und gibt es weitere Vorwürfe wegen Inge Vietts Auftritt, verbale Angriffe gegen sie persönlich, gegen den Antikapitalistischen Block und explizit gegen unsere Gruppe. Es wurden ungeniert Tatsachen verdreht und Beleidigungen ausgesprochen. Forderungen nach einer Distanzierung vom Block und sogar unserem Ausschluss aus dem Bündnis sind nichts anderes als der Versuch, dem antikapitalistischen Spektrum die gleichberechtigte Existenz oder zumindest die Sichtbarkeit nach außen abzusprechen. Mit einem kritischen aber solidarischen Umgang hat dies nichts zu tun! Dabei war die Stärke des Anti-SIKO-Bündnis immer seine Breite bei allen vorhandenen inhaltlichen Unterschieden.
Wir sehen einen Konsens auch mit andren Kräften wie der Partei Die Linke und aus dem Friedensspektrum darin, dass die Kommunikation nicht optimal gelaufen ist. Wir erkennen an, dass verschiedene Kräfte Teil des großen Bündnis sind und dass dies ein hohes Maß gegenseitiger Akzeptanz benötigt und es ein Recht auf Repräsentanz für alle geben muss. Es wird essentiell für die weitere Zusammenarbeit sein, die Gleichberechtigung und den gegenseitigen Respekt zwischen den bürgerlichen und antikapitalistischen, den reformistischen, pazifistischen und revolutionären Kräften im Aktionsbündnis wiederherzustellen.
Trotz des beschämenden Umgangs mit uns ist ein Boykott des Bündnisses ist für uns keine Option. Ein Auseinanderdividieren der Anti-Kriegs-Bewegung käme allen Extremismus-Theorie-Anhänger_innen entgegen. Die richtige Konsequenz ist vielmehr eine verstärkte Präsenz der revolutionären Kräfte der Antikriegsbewegung zu erreichen. Dabei braucht es in Zukunft eine bessere Abstimmung und Kommunikation mit anderen Gruppen. Die Nachbereitung der Demonstration im Bündnis hat eindeutig gezeigt, dass wir mit unseren Standpunkten, sowohl inhaltlich als auch praktisch, dort nicht alleine sind. Das Bündnis ist kein homogener Haufen, in dem wir isoliert „auf Teufel komm raus“ unsere Politik durchziehen. In vielen Punkten stimmte die Mehrheit uns zu, in anderen nicht. Das ist auch gut so, doch funktioniert das nur unter solidarischen und demokratischen Spielregeln. Gerade hier gilt es für das kommende Jahr anzuknüpfen.
Wir, bzw. der Antikapitalistische Block, werden auch für 2014 Teil der Bündnisdemonstration sein und – so wie dieses Jahr – zu ihrem Gelingen beitragen.
Für die zukünftige Zusammenarbeit haben wir jedoch folgende Forderungen an die Bündnispartner_innen:
- Die Pressegruppe unterliegt den Beschlüssen des Bündnisses
- Die Bündnisrede wird als solche im Bündnis abgestimmt und danach nicht mehr verändert
- Die Personalien der Redner_innen werden im Bündnis abgestimmt
Außerdem fordern wir Claus dazu auf sein Amt als Pressesprecher niederzulegen. Grund hierfür ist der äußerst unsolidarische Umgang mit unserer Gruppe und dem von uns mit-initiierten antikapitalistischen Block. Nicht nur die untragbare Wortwahl, auch die bewusste Denunzierung in der Öffentlichkeit seien hier noch einmal genannt. Dies hat nicht nur in München, sondern bundesweit in der Anti-Kriegsbewegung erhebliche Irritationen ausgelöst. Dadurch ist Claus als „Stimme der Anti-SIKO-Proteste“ nicht mehr glaubwürdig. Doch nicht nur im Bündnis muss gearbeitet werden. Die Mobilisierung auf den 50. Jahrestag der Kriegstagung muss gerade auf lokaler Ebene stark ausgebaut werden.
Die Proteste müssen das Stadtbild prägen um die breite Bevölkerung zu erreichen. Der Kritik an den angeblich ritualisierten Protesten sollen endlich mal Taten folgen!
Die Kriegstagung findet an nur einem Wochenende statt, der Militarismus, die Rüstung, die Unterdrückung und Ausbeutung jeden Tag! Für die antimilitaristische Bewegung – nicht nur in München – ist die SIKO eine Gelegenheit ihre Inhalte in die Öffentlichkeit zu bringen, die das ganze Jahr über sonst keine Notiz davon nimmt.
Wir sehen uns nächstes Jahr auf der Straße gegen die 50. NATO-Sicherheitskonferenz!!!
No War, No Nato, No Capitalism!
al[m] – Antikapitalistische Linke München
Juni 2013