Wir wollen hier die Schicksale einiger Menschen darstellen, die in der BRD im Zusammenhang mit politischen Aktionen getötet wurden. Viele dieser Fälle sind sehr unterschiedlich, doch haben sie einiges emeinsam: alle kämpften für fortschrittliche Ziele, alle würden heute noch leben ohne einen aggressiven Polizeieinsatz und bei allen Toten gab es keine rechtlichen Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen oder die Polizisten.
Philipp Müller – 11. Mai 1952
Keine zehn Jahre nach dem deutschen Faschismus plante die BRD in Koordination mit den Westalliierten die Wiederbewaffnung in Verbindung mit der Anbindung an die NATO. Dagegen formierte sich breiter Widerstand von kommunistischen und pazifistischen Kräften. Am 11. Mai fanden sich so ca. 30.000 Menschen in Essen ein, um gegen die Wiederbewaffnung zu protestieren. Als es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam, erteilte die Polizeiführung den Schießbefehl. Philipp Müller wurde von zwei Kugeln getroffen und getötet, zwei weitere Demonstranten wurden schwer verletzt. Später behauptete die Polizei, Demonstrationsteilnehmer hätten geschossen, konnte dies im Prozess jedoch nie beweisen. Trotzdem wurden die Schüsse vom Landgericht Dortmund als Notwehr eingestuft und die Polizisten freigesprochen.
Benno Ohnesorg – 2. Juni 1967
Der wohl bekannteste Fall fand auf einer Demonstration gegen den Schah von Persien statt. Benno Ohnesorg wurde von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen. Dieser behauptete in der Verhandlung, er sei mit Messern angegriffen worden und habe in Notwehr gehandelt. Er wurde vor Gericht freigesprochen. Das war allerdings bereits die dritte Version des Tathergangs, zuerst hatte er behauptet, nur Warnschüsse abgegeben zu haben und dann sei seine Waffe versehentlich losgegangen. Diese Widersprüche störten die Richter allerdings nicht. Aktuelle Recherchen, die allerdings nur auf Bildern und Filmaufnahmen von damals beruhen, machen spätestens klar, dass dies so nicht stimmen kann. Bilder zeigen Kurras, wie er mit gezogener Waffe auf Ohnesorg zugeht und ihn erschießt. Von Notwehr keine Spur!
Mehr Informationen: Spiegel Online
Olaf Ritzmann – 25. August 1980
Über 15.000 Menschen demonstrierten im August 1980 in Hamburg gegen den damaligen CSU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Franz-Josef Strauß, der sich unter anderem mit Äußerungen auszeichnete wie: »Was wir hier in diesem Land brauchen, sind mutige Bürger, die die roten Ratten dorthin jagen, wo sie hingehören — in ihre Löcher.«. Als die Demonstration bereits zu Ende war, kam es am S-Bahnhof Sternschanze zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Bis hierhin sind sich die Darstellung der Polizei und des Ermittlungsausschuss noch einig. Auch darin, dass die Polizei den S-Bahnhof stürmte, ohne vorher den Bahnverkehr zu unterbrechen. Im Zuge dieser Ereignisse stürzte Olaf Ritzmann vor eine S-Bahn und wurde von dieser erfasst. Er war bereits hirntot, die Ärzte hielten ihn aber auf Ersuchen der Polizei künstlich am Leben, nur damit es nicht zu weiteren Protesten käme. Der Hamburger Innensenator Werner Staak (SPD) erklärte den Polizeieinsatz zu einem Erfolg und die polizeilichen Ermittlungen sahen keinen Zusammenhang zwischen dem Tod und dem Polizeieinsatz.
Mehr Infos: Jungle World
Klaus-Jürgen Rattay – 22. September 1981
Auf einer Demonstration gegen die Räumung von acht besetzten Häusern in Berlin kommt es zu Auseinandersetzungen. Die Polizei geht mit Schlagstock-Einsatz gegen eine Gruppe von Demonstranten vor und drängt diese auf die Potsdamer Straße. Ein nach Aussagen von Demonstranten bisher stehender Bus der Berliner Verkehrsbetriebe fährt plötzlich an und erfasst Klaus-Jürgen Rattay. Der Bus hält nicht an, sondern schleift ihn mit. Demonstranten, die zu Hilfe eilen oder den Bus stoppen wollen, werden von der Polizei angegriffen, offensichtlich wertet sie dies als Angriff auf den Bus.
Eine Dokumentation dazu: Abgeräumt? Doku des EA
Günter Sare – 28. September 1985
70 Anhänger der NPD hatten sich zu einer Kundgebung in Frankfurt versammelt. Ca. 400 DemonstrantInnen versuchten zum Teil militant die ankommenden Faschisten aufzuhalten. Ein 26 Tonnen schwerer Wasserwerfer steuert auf mehrere Antifaschisten zu, die auseinander rennen. Günter Sare wird erst vom Strahl des Wasserwerfers getroffen und geht zu Boden, dann wird er vom rechten Hinterrad überrollt und stirbt trotz erster Hilfe noch vor Ort. Die Besatzung des Wasserwerfers wird vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen, Günter habe Alkohol und Haschisch konsumiert und hätte dadurch die Gefahr nicht richtig eingeschätzt. Eine perfide Verdrehung von Täter und Opfer, die demjenigen die Schuld gibt, der es nicht rechtzeitig aus dem Weg geschafft hat und nicht demjenigen, der ihn totgefahren hat.
Mehr Infos: Antifa Frankfurt
Erna Sielka und Alois Sonnleitner — 2. und 31. März 1986
Gleich mehrere Tote forderten die Proteste gegen den Bau der Wiederaufbereitungsanlage in Wackerdorf. Erna Sielka starb am 2. März während eines Polizeieinsatzes an einem Herzinfarkt. Alois Sonnleitner
erlitt in Folge eines CS-Gas-Einsatzes einen Asthmaanfall und starb darauf. Darüber hinaus starb auch ein Polizist bei einem Hubschrauberunfall, Name und genauer Hergang sind uns allerdings nicht bekannt.
Kornelia „Conny“ Wessmann – 17. Novemenber 1989
An diesem Tag hatten Nazis in Göttingen randaliert, woraufhin AntifaschistInnen in die Innenstadt aufgebrochen waren, um sich ihnen entgegen zu stellen. Die Gruppe, in der Conny unterwegs war, traf
allerdings gar nicht mehr auf Nazis und wollte sich gerade auflösen. In der Nähe der mehrspurigen Weender Landstraße griff die Polizei die Gruppe an. Aus dem Polizeifunk ging später hervor, man solle die Gruppe so wörtlich „plattmachen“. (Nach Angaben des Staatsanwalts soll damit eine Personenkontrolle gemeint gewesen sein, bei der die Verdächtigen sich auf den Boden legen müssen) Conny flüchtete vor der Polizei und wurde auf der Straße von einem Auto tödlich erfasst.
Mehr Infos: TAZ
Halim Dener – 29. Juni 1994
Halim wurde von einem Beamten eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) mit einem Schuss in den Rücken getötet als er in Hannover Plakate klebte. Er war kurdischer Aktivist, nach Folter geflohen aus der Türkei, wo die Armee sein Heimatdorf zerstört hatte, und klebte Plakate der „Nationalen Befreiungsfront Kurdistans“, er war 16 Jahre alt und unbewaffnet. Auch hier wurde der Polizist allerdings freigesprochen, der Beamte sei in einer Stresssituation gewesen, bei der sich unverschuldet ein Schuss gelöst habe. Dass bei dem benutzten Revolver laut einem Sachverständigen ein Abzugswiderstand von 4,3 kg überwunden werden muss, dass die Beamten zu zweit waren, dass Halim nur beim Plakatieren gestellt wurde und unbewaffnet war, all dies führte nicht einmal zu einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung.
Mehr Infos: Infopartisan
nadir.org
Sowie auch: Spiegel Online